Nathan Gray und Norbert Buchmacher in Hannover


Nathan Gray live am 12. März 2019 im MusikZentrum in Hannover
Foto: Lars Tobias Lorbeer

Dass Sänger von Hardcore- oder Punkbands auf Solopfaden wandeln, war eine zeitlang sehr in Mode. Mittlerweile sind nur noch einige wenige übrig geblieben, die sich aber gleichzeitig ein stückweit auch zu echten Größen der Singer- und Songwriter-Szene entwickelt haben. Dazu zählt mit Sicherheit auch Nathan Gray, Sänger von Boysetsfire, der in diesem Jahr mit seinem Soloprojekt im MusikZentrum Hannover Station macht und dabei für einen wunderbaren Abend sorgt. Präsentiert wird das aktuelle Live-Album, das während seiner letzten Tour 2018 in Wiesbaden und Iserlohn entstanden ist und Anfang Februar erschien. Als Support ist Norbert Buchmacher mit von der Partie.

„Ehrlichkeit und Emotionen machen diesen Abend mit Nathan Gray zu etwas ganz besonderem“

Schwermut aus Schwaben

Norbert Buchmacher, der selber früher in Punkbands spielte, wird an diesem Abend von einem Keyboarder und einem Bassisten begleitet, der auch ab und zu die Gitarre übernimmt. Buchmacher selber, der zu Beginn erst einmal klarstellt, dass der Norden ja immer ein Problem mit ihm hat, da er aus Schwaben kommt und die Sprache eben gewöhnungsbedürftig ist, spielt in den 30 Minuten seines Auftrittes vor allem die Akustikgitarre.

Seine Songs handeln von persönlichen Dingen und Erfahrungen. Teilweise sind die Texte schon von sehr viel Schwermut überlagert und die sehr ruhige Musik unterstreicht dieses Gefühl. Dennoch kommen die Songs ganz gut an beim Publikum aus Hannover, das dann doch keine Probleme mit dem Schwaben zu haben scheint. Die Songs beinhalten unter anderem einen Appell an die Menschlichkeit oder handeln von seinem Sohn, dem besten Ereignis in Buchmachers Leben, laut eigener Aussage. In der „Ballade von Willi und Walter“ geht es dann um Menschen die durchdrehen und von der Polizei direkt erschossen werden. Und auch „Sorgen und der Nikolaus“ ist sehr persönlich und handelt von den eigenen Sorgen, die den sympathischen Sänger vor allem vor jedem Konzert plagen, wenn er auf die Bühne muss. Doch in Hannover hat es sich durchaus gelohnt, dass er sein Lampenfieber überwinden konnte – nimmt man die Reaktionen der Zuschauer als Maßstab. Im Übrigen soll im Sommer auch ein neues Album erscheinen.

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Gefühlvoll und persönlich – Einfach Nathan

Nach kurzer Umbaupause geht es gegen 20.55 Uhr weiter. Unter Applaus der knapp 250 Besucher betritt Nathan Gray die Bühne. Er wird begleitet vom Sisters of Mercy-Gitarrist Ben Christo, der auch die Bassparts übernimmt und der Cellistin Isabelle Klemt. Los geht es mit „Echoes“, dann folgt „Burn Away“. Anschließend gibt es die erste Ansage: „Hallo, ich bin Nathan“. Der Sänger, der mit Boysetsfire das Post-Hardcore-Genre ab Ende der 1990er-Jahre geprägt hat, wie kaum eine andere Band, wirkt fast etwas schüchtern und verloren auf der Bühne. Und dennoch: Diese Präsenz, diese Stimme – da steht eine echte Persönlichkeit des Genres im MusikZentrum, die sich artig und aufrichtig dafür bedankt, dass das Publikum seine wertvolle Zeit opfert, um sie mit Nathan Gray zu verbringen. Ansonsten aber lässt der Frontmann eher seine Musik sprechen und reduziert seine Ansagen auf das nötigste.

Inhaltlich handeln die Songs von sehr persönlichen und emotionalen Momenten. Diese sind durchaus in kurzen Augenblicken auch bedrückend, aber dennoch reißt Gray mit seiner Musik mit. Das Publikum lauscht gespannt und ist in vielen Situationen absolut hingerissen von den Songs, der Stimme, der Atmosphäre und den Emotionen. Als weitere Songs werden „Walk“, „As The Waves Crash Down“ und „Fall From Grace“ zum Besten gegeben. Technische Probleme mit der Gitarre werden charmant weggelächelt. Mit „Enough“ ist auch ein neuer Song dabei, der demnächst auf einer 6-Song-Split-EP mit Jesse Barnett von Stick To Your Guns veröffentlicht werden soll. Weitere Songs sind das Cover von Red Tape Parade „Leap Year Of Tide“ oder der Casting Out Song „Prey“. Überhaupt haben einige Songs, die Nathan Gray einst für Casting Out oder Boysetsfire geschrieben hat, den Weg in die heutige Setlist gefunden. Unter anderem ist auch das grandiose „Walk Astray“ dabei.

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Musik als beste Therapie

Es folgt mit „10 Year Counting“, im Original auch von Boysetsfire, das nächste Highlight – ursprünglich auf dem Album „The Misery index“ erschienen. Dieser Song hat es erst drei Abende zuvor in die Setlist geschafft. Und bei allen Abenden, natürlich auch in Hannover, verspielt sich ausgerechnet Nathan Gray. „Der Typ aus der Band“, wie der Sänger lachend kundtut und so für Heiterkeit im Publikum sorgt. Auch über das starke „Quixote‘s Last Ride“ von The Casting Out hat Nathan Gray eine Geschichte zu erzählen. Diesen Song schrieb er, als er ernsthaft mit dem Gedanken spielte, seinem Leben ein Ende zu setzen. Doch der Song war seine Rettung und jedes Mal, wenn er ihn live spielte, ging es ihm besser, weil Stück für Stück alles herauskam. Musik war seine Therapie und so konnte er sich kurieren. Im Übrigen veranstalten die Musiker bei diesem Song Abend für Abend eine Competition, wer in einem Zwischenpart den Ton am längsten halten kann. Und in Hannover gewinnt erstmalig Gray, was ihm im Publikum die nächsten befreienden Lacher beschert.

Dann ist Zeit für die Zugabe, in der noch einmal drei Songs vorgetragen werden. Nach 80 Minuten und dem Song „Alone“ ist dann Schluss. Aber Nathan Gray endet nicht, ohne seinem Publikum auch unter Tränen für den tollen Support der letzte 25 Jahre zu danken. Hier zeigt er noch einmal, was diesen Abend so stark gemacht hat: Die Ehrlichkeit und die Emotionen. Gepaart mit tollen Songs, einer tollen Stimme und großartigen Momenten ist dies ein nahezu perfekter Abend. Klasse, Nathan Gray!